12. – 14. Oktober 2012

 

Weinleselangstreckenfahrt

 

 

Der größte Teil der diesjährigen Teilnehmer der Weinleselangstreckenfahrt ist am Freitagabend bereits wohnlich eingerichtet, sei es im Zelt auf der Vereinswiese, sei es im Wohnmobil auf dem Parkplatz der benachbarten Trierer Ruderer oder im Schlafraum, im Hantelraum oder auf dem Dachboden des schönen Bootshauses der Trierer Kanufahrer.

Abends gegen halb acht geleitet Karli Romberg als Leitwolf ein stattliches Rudel bildungshungriger Paddler zur Porta Nigra, wo Dorothe Michels schon wartet, um uns die mehrtausendjährige Stadt und einige ihrer prominenten Bürger nahezubringen.

Sie beginnt mit den Treverern und Kaiser Augustus, die sich im ursprünglichen Namen der kurz vor Christi Geburt gegründeten Stadt Augusta Treverorum verewigen. Sie bringt uns die erste Glanzzeit der Stadt, die als urbs opulentissima, als äußerst wohlhabende Stadt, in der zeitgenössischen Reiseliteratur auftaucht, nahe. In dieser Zeit, den ersten zwei Jahrhunderten nach Christi Geburt, erlebt die Stadt einen gewaltigen ersten Bauboom, der der Stadt einige weltkulturerbeverdächtige Bauwerke beschert. Dazu gehört neben der Porta Nigra auch die – seit Stadtgründung mittlerweile dritte – Römerbrücke, die wir einen Tag später unterpaddeln werden.

 

Dorothe Michels stellt uns Bischof Poppo von Babenberg und den Mönch Simeon vor, der sich nach seiner Reise mit Poppo ins Heilige Land als Eremit in der Porta Nigra einmauern lässt und der unmittelbar nach seinem Tod von Poppo heiliggesprochen wird (seinerzeit ging das noch schneller als heutzutage).

 

Sie erzählt von Kaiser Konstantin und seiner Mutter Helena, denen wir die Doppelkirche verdanken, auf die der heutige Dom zurückgeht. Beim zerbrochenen Domstein gefällt die Legende natürlich besser als die Wahrheit. Der Legende nach lässt sich der Teufel vom Architekten breitschlagen, für das größte Wirtshaus der Welt vier schwere Granitsäulen von jeweils 65 Tonnen Gewicht aus dem Odenwald fliegenderweise zum Dom zu schaffen. Als er beim Anflug mit der letzten Säule erkennt, dass er beim Bau einer Kirche statt eines Wirtshauses geholfen hat, wirft er erbost die Säule auf den Dom, verfehlt ihn knapp und hinterlässt mit der zerbrochen vor dem Domeingang zu liegen kommenden Säule den Stein des Anstoßes für ein Gedicht, das vermutlich eine erkleckliche Anzahl Trierer Schüler in den vergangenen 35 Jahren einmal als Strafarbeit hat auswendig lernen müssen. Glücklicherweise haben wir mit Karli einen in der Wolle gefärbten Trierer Jungen unter uns, der uns dieses Kleinod des Trierischen in bestem Trierer Platt vorträgt.

 

Om Duhmstaan sei mer romgerötscht,                            Luxem

Et waor net emmer ginstig.

De Box zeröss, de Kaap verlor,

De Kopp zerschonn, blutrinstig.

Kaom eich dann haam, dao wosst eich gleich

eich braucht kann Red’ ze haalen,

eich braucht blus guden Dag ze saon,

de anneret soot mein Ahlen.

Roff de Trepp

schlich eich  mich off den Ziewen,

Doch mein Klepp

die sein net ausgebliewen.

 Als wir unseren abendlichen Bildungsspaziergang vor der Basilika, die von den Trierern Basilllika genannt wird (so wie der Palast-Garten unter den Trierern als Palllastgarten bekannt ist), beschließen und Dorothe Michels ihren wohlverdienten Applaus spenden, brandet auch unter der auf dem Basilikavorplatz in Wochenendstimmung vereinten Jugend Applaus auf, den Dorothe Michels huldvoll entgegennimmt.

 Etwas verfroren, aber guter Stimmung kehren wir zurück an die Mosel, wobei ein Schwung in Richtung der pittoresken Gastronomiebetriebe am Zurlaubener Ufer abschwenkt und der andere Teil sich der Erlangung der nötigen Bettschwere durch den Genuss örtlicher Weine im Aufenthaltsraum des Bootshauses widmet.

Nach dem samstäglichen Frühstück brechen die Hartgesottenen, die Teilnehmer der 50-km-Tour, um 8:30 h zu ihrer Einsatzstelle in Mettlach auf. Die Kurzstreckenfahrer, die nur 27 km vor der Brust haben, können noch eine Stunde dem reichhaltigen Frühstück frönen.

 

Wir Kurzstreckenfahrer setzen beim Ruderverein Saarburg ein. Zunächst überqueren wir die Saar und beugen unser Haupt in Demut, um die Brücke über die Leuk unterqueren zu können. Zwischen der fast 15 m hohen Tümpelsmauer zur Linken und dem Mühlengebäude zur Rechten fahren wir in den Leukkessel ein, in den sich die Leuk über einen 18 m hohen Wasserfall ergießt. Von dort haben wir einen wunderbaren Blick auf den Wasserfall, die Mühlräder und die Traube von Touristen, die hoch über uns mit ihren Kameras stehen.

Nach diesem kurzen touristischen Intermezzo paddeln wir uns die drei Kilometer saarabwärts bis Schoden warm und trainieren beim Umtragen der Boote in das Altwasser der Saar unterhalb des Wehrs auch ein wenig die Beinmuskeln. Das leicht strömende Altwasser des als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Wiltinger Saarbogens mit seinen wenigen Schwällen spült uns nach knapp acht idyllischen Flusskilometern unterhalb der Schleuse Kanzem wieder in die kanalisierte Saar. Von der  Ortslage Kanzem , die durch den Bau des knapp drei km langen Saarabkürzungskanals zu einer Insel zwischen dem Altwasser und dem Saarkanal wurde und sich seither als Wein-Insel touristisch vermarket, bekommen wir lediglich einige rückwärtige Häuserfassaden zu sehen.

Unterhalb der Schleuse Kanzem findet der Saarkanal wieder in das alte Flussbett zurück. Rechter Hand liegt beim Zusammenfluss von Altwasser und kanalisierter Saar der kleinste Ortsteil von Konz, der malerische Weiler Hamm, der seinen Namen seiner Lage am Saarbogen verdankt, da Flusskrümmungen im Mittelalter „Hamm“ hießen. Hoch oben steht der Heilige Nikolaus und weist uns mit ausgestrecktem Arm den Weg in Richtung Mosel.

Schleuse

Nach gut vier Kilometern, auf denen die Saar dank eines kräftigen Windes mit spektakulärem Herbstlaub-Ballett aufwartet, sichten wir die Brücken, die den Zusammenfluss von Saar und Mosel ankündigen. Nach einer kurzen Rast am rechten Moselufer, nach der Alfred, der bisher den Tross anführte, und Burkhard, der bisher die Rolle des „Besenwagens“ übernommen hatte, die Rollen tauschen, führt Burkhard die Gruppe Richtung Sportbootschleuse Trier. Diese erweist sich nach ihrer erfolgreichen Generalüberholung vor nur wenigen Wochen als außer Betrieb, so dass über die zum Teil lauschig mit dicken Moosteppichen belegte Betonrampe umgetragen wird.

Nach knapp zwei Kilometern grüßt uns wieder ein heiliger Nikolaus, und zwar von der aus rotem Sandstein gebauten Römerbrücke aus. So manch ein Paddler, dem mittlerweile die Arme schwer geworden sind, mag sich gefragt haben, ob diese rote Brücke die Brücke ist, über die man vom Bootshaus aus sich die Blechkolonnen des morgendlichen und abendlichen Berufsverkehrs bewegen sieht. Schnell wird dem Paddler mit den schweren Armen klar, dass es nicht die herbeigesehnte Brücke in der Nähe des Bootshauses ist. Aber nach nur anderthalb weiteren Kilometern unterqueren wir die Kaiser-Wilhelm-Brücke. Uns winkt eine warm eingehüllte weibliche Gestalt, die geduldig in einem auf einer Buhne zwischen den Bootshäusern der Trierer Ruderer und der Trierer Kanufahrer plazierten Klappstuhl auf uns gewartet hat.

Es folgen, wie versprochen, Kaffee und Kuchen bis zum Abwinken, und eine Stunde später der Einzug der 50-km-Gladiatoren. Nach dem gemeinsamen Abendessen ergeben sich die anregenden Gespräche bei ebensolchen Getränken von selbst, wobei alles – in vino veritas – der Wahrheit entspricht, denn man hat noch nie von Paddlerlatein gehört.

Nach dem sonntäglichen Frühstück, bei dem wieder einmal mehr Kalorien angeboten werden, als durch die bevorstehende 27-km-Tour abgepaddelt werden können, brechen wir in lockeren Gruppen auf in Richtung Detzem. Die Mosel führt etwa zwanzig cm mehr Wasser als am Vortag. Die leichte Strömung auf den ersten Kilometern erleichtert das Warmpaddeln. Auf der Fahrt vorbei an Pfalzel, Quint, Schweich, Longuich, Riol sehen wir tatsächlich noch vereinzelt Menschen, die Trauben lesen, so dass die Weinlesefahrt ihren Namen zu Recht tragen darf. Auch ist von einer Paddlerin zu berichten, die ihre Erstsichtung eines Eisvogels feiern darf.

Gegen 13 Uhr schleust die erste Gruppe und wird nach dem Ausstieg einen Kilometer unterhalb der Schleuse Detzem Zeuge, wie Burkhard schwanenflüsterergleich einen verärgerten Schwan dazu bewegt, sein Heil in der Flucht zu suchen.

Nachdem die Boote verladen sind und der erste Schwung Paddler im Vereinsbus Richtung Trier unterwegs ist, setzt der bereits für den Wochenendanfang angedrohte Regen ein. Beim nachmittäglichen Resteverzehr wird Bilanz gezogen, werden Adressen ausgetauscht und Absichtserklärungen abgegeben für die nächste gemeinsame Paddeltour, gute Wünsche für eine sichere Heimreise ausgetauscht. Opfer gibt es bis auf eine in der Mosel versenkte Kamera nicht zu beklagen.

Es bleibt noch, den Trierer Kanufahrern für das ereignisreiche Wochenende, die beiden schönen Touren, die gute Organisation, das reichhaltige Essen, die Gastfreundschaft zu danken. Danke auch an Gottfried, die graue Eminenz im Hintergrund, den unermüdlichen Dispatcher. Der Name ist hier Programm – Heinz(el)mann. Und danke an all die nicht namentlich bekannten fleißigen Helfer.

Bis bald.

 Salutations sportives.

 – jutta –