Von Vallendar nach Haarlem
Bericht von Stefan Stoeckel
Fotos von Hanno Fischer und Stefan Stoeckel
Der Entschluss reifte über die Winter- und Frühjahrsmonate, nahm langsam konkrete Gestalt an, es wurde geplant und überlegt. Die Tour soll von Vallendar (bei Koblenz) nach Haarlem (bei Amsterdam/NL), führen, erst auf Rhein und Nederrijn, dann über die niederländischen Kanäle. In Haarlem wollen Freunde aus den Niederlanden ein Kanu Camp organisieren.
Am 17.07.03, dem Vorabend der großen Tour, stehen drei Männer, Hanno Fischer, Reiner Eul und ich, im Bootshaus des FWV Vallendar mit Unmengen von Gepäck und plagen sich, dieses in den winzig erscheinenden Stauräumen ihrer Kajaks unterzubringen.
Erster Tag
Der Startschuss fällt gegen 7.00 Uhr bei traumhaftem Sommerwetter, eine kleine Delegation winkt noch am Ufer bis wir am Horizont verschwunden sind. Ein wenig Magenkribbeln habe ich in Anbetracht der völlig neuen Herausforderung schon. Wegen des historisch niedrigen Wasserstandes muss die Insel Niederwerth nach oberstrom hin umrundet werden. Der erste Tag führt mit Pausen in Unkel und Bonn nach Köln-Rodenkirchen.
Kurz vor dem Ziel gelingt es mir noch bei einem Zwischensprint mein Doppelpaddel auf Stechpaddelformat zu reduzieren.
Beim Kölner Faltbootclub kommen wir gerade recht zum alljährlichen Sommerfest, werden aufs herzlichste empfangen und zum Mitfeiern eingeladen. Ein äußerst hilfsbereiter Mensch bietet sich sogar an, mich zu einem örtlichen Kanuausstatter zu bringen, wo ich mir ein neues Paddel kaufen kann. Etwas exotisch erscheint den Gastgebern nur, dass wir drei bereits gegen 22 Uhr in den Zelten verschwinden.
Zweiter Tag
Nach einem kurzen Frühstück, fast dem einzigen der ganzen Tour (O-Ton unseres Fahrtenleiters: ”Das dauert zu lange”), am frühen Morgen durch Köln. Wegen des fantastischen Wetters sind die Strände links und rechts mit Zelten gepflastert. Mittagessen beim idyllisch liegenden Haus Piwipp gegenüber Monheim, weiter geht’s bis Düsseldorf, wo wir an einem richtigen Sandstrand zwischen zwei Buhnen mitten in der City Baden gehen. Zum Abschluss des Tages paddeln wir noch bis Duisburg-Wanheim. Wir werden sehr freundschaftlich beim Wanheimer KC aufgenommen und sind ganz überrascht, die haben ja ein richtiges Kanuhotel!
Wir sitzen nach einem eher kurzen und wortkargen ”Frühmompf” in der Tat um 6 Uhr in den Booten, es ist bereits hell und noch angenehm kühl. Ein Superstart! Vorbei geht es an den Duisburger Binnenhäfen bis zu unserem Frühstücksplatz bei der KG Dinslaken. Der Rhein hat sich in seinem Bild völlig gewandelt: Der Start in Vallendar mit den Ausläufern des Schiefergebirges, durch das Rheinisch-Westfälische Industriegebiet (besser bekannt unter dem Ausdruck ”Ruhrpott”), und nun der Niederrhein, weitläufig und flach. Wir sind begeistert! Für die Mittagspause unterbrechen wir notgedrungen unsere Paddeltour in dem malerischen Ort Rees.
Um den Tag sinnvoll auszufüllen, beschließen wir ”noch eben” bis Arnhem in den Niederlanden weiterzupaddeln. Kurz hinter der Landesgrenze verlassen wir den Rhein, um in den Panerdens Kanaal abzubiegen. Vorbei ist es nun mit der Strömung. In Arnhem suchen wir nach dem Campingplatz, er liegt etwa 5 km hinter der Stadt.
Die Königsetappe unserer Tour wird – 7 Stunden nach diesem klugen Entschluss – gekrönt mit einer Einladung zum Essen. Ein Niederländer, der uns aus unseren Booten kriechen sieht, päppelt uns beim Zeltaufbauen mit einem Espresso auf. ”Ihr baut Eure Zelte auf, dann duscht Ihr und kommt anschließend zu mir, ich koche für Euch!” Wir können unser Glück kaum fassen, bringen eine Flasche Rotwein mit und sind unendlich dankbar.
Vierter Tag
Ausschlafen! Das einzige Mal auf dieser Fahrt. Richtiges Frühstück, wir lassen es ganz ruhig angehen. Mittags fallen wir in einer Frittenbude zu typisch niederländischem FastFood ein und dümpeln dann gemütlich auf dem Nederrijn weiter bis nach Elst. Kurz vor dem Ziel überrascht uns noch ein Platzregen, wir nehmen ihn zum Anlass für ein echtes Kopf an Kopf Rennen. Auf dem Zeltplatz, nach dem obligatorischen Bad im Fluss, niederländisch/indonesisches Fast Food – noch schmeckt es uns…
Fünfter Tag
Der Spaß hat ein Ende, um 6 Uhr in den Booten! Wirklich beeindruckend ist das Wasserstraßenkreuz des Nederrijn, welcher ab hier Lek heißt, mit dem Rijnkanaal. Die Ausmaße sind riesig, 2000×2000 Meter und jedes Ausgangsportal wird flankiert von 2 Leuchttürmen. Ich fühle mich in den Film ”Der Herr der Ringe” in die Szene mit den Kanus auf dem Fluss Andourin bei der Passage durch die Engstelle mit den riesenhaften Königsfiguren links und rechts versetzt. Kurz danach gibt es, am Strand sitzend, Frühstück. Wir stehen bei der Weiterfahrt etwas im Wind. Zum Mittagessen in einem Yachtklub bei Vianen.
Die letzten Kilometer bringen uns noch bis Schonhooven, auf dem Campingplatz eine exklusive Lage direkt am Fluss, Baden gehen – ganz klar, anschließend noch in die Stadt. Nun hat es sich ausgefastfoodet. Es gibt mal was Vernünftiges: Pfannkuchen.
Der schönste Augenblick des Tages ist, wenn um kurz vor Fünf Hannos Timer zum Bimmeln anfängt. Also weiter in Richtung Rotterdam, gefrühstückt wird etwa 10 km später am Strand. Der Fluss wird immer breiter, die Luft schmeckt salzig, es geht aufs Meer zu. Auf der Nieuwen Maas vor Rotterdam bekommen wir den Gezeitenstrom zu spüren: Auflaufendes Wasser. Nichts geht mehr, wir stoppen kurzerhand an einer Werft und legen uns in die Sonne. Nach etwa 2 Stunden sitzen wir wieder in den Booten, nun geht es wieder voran, ein wenig gegen den Wind, klasse Wellen, richtige Schiffe! Von den weit verstreut paddelnden Kollegen sieht man mal einen Kopf, mal ein Paddel. Als Reiner sich kurz zu mir gesellt, sage ich atemlos: ”Das ist das Paris-Roubaix des Kanuten – Kopfsteinpflaster!” Rotterdam beeindruckt durch seine ausgefallene Architektur. Richtig zum ”Show”-Paddeln animiert werden wir, als wir zur Mittagszeit an unzähligen, direkt am Fluss gelegenen, gut besuchten Restaurants vorbeikommen.
Hinter dem Euromast geht es in ruhigere Gefilde: Die Schie erwartet uns. Eine Wasserstraße für Genießer, ab hier herrscht Rückenwind! Wir kommen noch bis Delft, leider liegt der Campingplatz etwa 2 km vom Kanal entfernt, aber wofür sonst gibt es Bootswagen? Abends in der Stadt lecker Essen, dieses Mal italienisch.
Siebter Tag
In aller Frühe die Kajaks zurück rollern und los. Links und rechts entlang des Kanals Berufsverkehr auf Fahrrädern! Frühstück gibt es in Leidschendam in einem Cafe, richtig gemütlich, auch stört sich keiner an unserem Äußeren. Es kommt, was kommen musste: Wir werden von einem Gewitter in die Zange genommen. Vereint harren wir unter einer kleinen Brücke aus. Hinter Leiden geht es auf die Flächen des Kagerplassen. Hier bläst es richtig, von hinten. Wegen der Kürze der Etappe haben wir nachmittags richtig Zeit für die Nebensächlichkeiten des Lebens: Lesen, spazieren gehen, schlafen. Abends gibt es das große Abschlussmenu.
Achter Tag
Obwohl der Endspurt nur ganz kurz ist, sitzen wir gewohnt früh an den Riemen. Durch den See in die Ringvaart. Gefrühstückt wird mit belegten Brötchen und Kaffee in Hillegom. Ein Blick auf die Karte: Das sind ja nur noch 10 km. Ein freundlicher Skipper lässt uns auf seiner Heckwelle mitreiten, das heißt die letzten Kilometer erledigen sich bei minimalem Kraftaufwand und maximaler Geschwindigkeit. Gegen 11 Uhr laufen wir auf dem wunderschönen Gelände der Haarlemer Kanuten ein, wo die Familie und die Freunde uns bereits erwarten. Mit einem großen Hallo werden die etwas müden, aber überglücklichen Helden der Wasserstraße empfangen.
Die Etappen:
Vallendar (Startort)
Köln-Rodenkirchen 88 km
Duisburg-Wanheim 92 km
Arnhem 116 km
Elst 32 km
Schoonhoven 53 km
Delft 52 km
Zevenhuisen (Kagerplassen) 29 km
Haarlem 22 km
Die Boote:
Necky Looksha II, Kohle-Kevlar, gibt es nur in Übersee, eine echte Rakete mit 6.10 m Länge!
Rainbow Laser, PE
Lettmann Eski 550, DC